1969 stieg Iain Matthews bei FAIRPORT CONVENTION aus, nur um 1970 mit seinen Ex-Kollegen das MATTHEWS SOUTHERN COMFORT-Album
einzuspielen. Zur Band wurde das MSC-Projekt nach einer Umbesetzung,
die im gleichen Jahr zwei weitere Alben einspielte. MATTHEWS SOUTHERN COMFORT
gelang das Kunststück, die erfolgreichste Version der „Woodstock“-Hymne
einzuspielen. Dies trotz der starken Konkurrenz durch die Komponistin
und Originalinterpretin Joni Mitchell sowie die raue Crosby, Stills
& Nash-Variante, die fast gleichzeitig veröffentlicht wurde.
Es folgten weitere Umbesetzungen, Matthews ging auf Solopfaden fremd,
gründete 1972 PLAINSONG, nahm weiter Soloalben auf, verschwand ganz aus
dem Musikbusiness, kehrte zurück und entschied sich irgendwann im neuen
Millennium MATTHEWS SOUTHERN COMFORT in erheblich verjüngter
(und niederländisch geprägter) Besetzung wiederzubeleben. Das führte
2010/11 zu der Veröffentlichung „Kind Of Love“, später ergänzt um die
Live Einspielung „Kind Of Live“. Eine siebenjährige
Veröffentlichungspause folgte, die 2018 mit „Like A Radio“ ihr Ende fand. Matthews ist halt ein unsteter Geist und immer für Überraschungen gut.
Musikalisch nicht unbedingt, was im vorliegenden Fall aber kein Manko ist. Denn „Like A Radio“
ist ein wohl austariertes Werk, das äußerst gefühlvoll und lässig seine
Bahnen zwischen Folk, Americana, Softrock und ein wenig Jazz zieht.
Matthews singt auch mit 71 noch, als hätte er nichts als Honig und
Balsam gefrühstückt, seine Band agiert mit geradezu schlafwandlerischer
Sicherheit. Die Melodien sind von genussreicher Schönheit, die Refrains
besitzen eine fast beiläufige Einprägsamkeit, die ihnen einen hohen
Wiedererkennungswert garantiert, sie aber nicht mit Penetranz in
Gehörgänge und Bewusstsein hämmert.
Die Instrumentierung ist erlesen und vielfältig, doch nicht
überladen. Das klingt nie angestrengt, ist bei den akustischen Gitarren
farbenfroh und präsent und beim Einsatz der elektrischen ohne jede
Kraftmeierei. Gitarrist Bart Jan Baartmans spielt zudem Mandoline,
Sitar, Banjo und weitere Saiteninstrumente, die für höchst
abwechslungsreiche Klänge sorgen. Die Rhythmussektion agiert ebenfalls
breitgefächert und sorgt für ein feingewebtes Grundgerüst. Zieht dabei
elegante Zurückhaltung stupidem Drauflosprügeln vor. Akustisches- und
E-Piano sind für die leicht jazzige Note zuständig und setzen Höhepunkte
nicht nur während der ersten beiden Stücke.
Obwohl düstere Thematiken angeschnitten werden, „Thought Police“ oder „Welcome To The Age Of Isolation“, strahlt „Like A Radio“
eine unheimliche Wärme aus. Liegt an Matthews warmer raumfüllender
Stimme, dem gekonnten Satzgesang, und der Fähigkeit der Band dem
Einfachen Komplexität zu entlocken, kurz Folk-Rock, der sich aus
Erfahrung speist und gelebter Musik. MATTHEWS SOUTHERN COMFORT
agieren auf Augenhöhe mit musikalischen Verwandten June Tabor, Christy
Moore, Luka Bloom oder Van Morrison. Ausnahme ist lediglich das
besonders im Refrain schlicht gestrickte „To Love“ (hat instrumental
allerdings ein paar coole Passagen. Peter Frampton in der Nähe?). Davon
abgesehen kann es sich die Band sogar leisten, einen der stärksten Songs
des Albums als Abschluss der Bonus-Sektion zu bringen.
FAZIT: MATTHEWS SOUTHERN COMFORT
brillieren 2018 mit der Kunst, eindringliche Songs mit einer ungeheuer
lässigen, aber nie unambitionierten, Selbstverständlichkeit
einzuspielen. Die düsteren Themen strafen den „Woodstock-Mythos“ Lügen,
die Musik lässt hingegen ahnen, was sich in den letzten Jahren verändert
hat und was erhaltenswert erscheint.Jochen König (Info)